2004: Zum Austritt des bbk berlin aus dem Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler

Der bbk berlin hat seinen Austritt aus dem Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler e.V., Bonn, beschlossen. Was sind die Gründe?

Die Berufsvertretungen der Bildenden Künstlerinnen und Künstler, die Landesverbände, sind grundsätzlich dezentral verfasst, organisiert und handlungsfähig – einen Zentralverband, dessen abhängige Organe die einzelnen Künstlerverbände sind, gab und gibt es nicht. Die Akteure und Träger der Berufsvertretung der Künstlerinnen und Künstler sind die einzelnen Berufsverbände und nur sie. In sie tritt die Künstlerin/der Künstlerin ein, in ihnen bestimmt sie/er direkt mit, sie vertreten ihre/seine Interessen gegenüber Verwaltung, Politik, Kunstmarkt, sie beraten, fördern, unterstützen, wo notwendig.

Das gilt gerade auch für den bbk berlin, der über die klassischen Leistungen der Rechts-, Steuer- und Sozialberatung hinaus beruflichen Rechtsschutz gewährt und über seine Tochtergesellschaften Bildungswerk und Kulturwerk umfangreiche berufliche Weiterbildung, Ateliers und Atelierwohnungen, Betreuung aller Kunst-im-öffentlichen-Raum-Vorhaben, umfassend ausgestattete Werkstätten für Druck-, Computer- und alle bildhauerischen Techniken anbietet. In wichtigen Fragen hat er auch schon bisher seine Mitglieder nicht nur landespolitisch, sondern auch bundespolitisch vertreten. So hat der bbk berlin maßgeblich die Bildende Kunst gegen Kuratorenwillkür im Weimar – Prozeß vertreten, mit eigenen Untersuchungen und öffentlichen Aktivitäten die Diskussionen um die Künstlersozialkasse mitgestaltet, er nimmt seit Jahren sehr intensiv zur Ausstellungsvergütung und zum Urheberrecht Stellung – um nur einiges zu nennen.

An alledem ändert sich nichts. Ebenso wird der bbk berlin, wie es auch seine Satzung vorschreibt, mit anderen Künstlerverbänden regional und überregional zusammenarbeiten – wie er dies auch bisher schon getan hat. Solidarisches und kollegiales Zusammenwirken, auch überregional, ist notwendig und bleibt unsererseits immer gewährleistet.
Es ändert sich nur eines: von 2004 an wird der bbk berlin an der internen Willensbildung des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler, Bonn, nicht mehr teilnehmen, indem er aus diesem Verein austritt.

Zweck des Bundesverbandes e.V. war es, seinen Mitgliedern, nämlich den einzelnen Berufsvertretungen, eine organisatorisches Instrument zur Willensbildung und bundesweiten berufs- und kulturpolitischen Mitgestaltung zu geben. Jahrelang war dieses Instrument nützlich und
wirksam – man denke etwa an die Verdienste des Bundesverbandes in der Durchsetzung der KSK. Das aber war vor zwanzig Jahren. Wo aber war in den letzten Jahren der Bundesverband e.V. zu sehen, zu hören, zu spüren?

Wir stehen mitten in der Neuordnung von Strukturen der Kunst- und Künstlerförderung bundesweit – Stichworte sind hier Bundeskulturstiftung, Neuordnung der Stiftungslandschaft, überregionale kulturelle Infrastrukturförderung, die Rolle der Kultur als Bundsaufgabe überhaupt. Seit Jahren greift die Politik der Reform der Sozial- und Arbeitslosenversicherungen, des Sozial- und Rentenrechtes tief in die Lebensbedingungen fast aller Künstlerinnen und Künstler ein, beeinflußt maßgeblich die Arbeitsfähigkeit fast aller Kultureinrichtungen. Spätestens seit der PISA – Studie sind bundesweit Unterrichtsinhalte, Ganztagsschulen und die Bedeutung kreativer Fähigkeiten und ihrer Vermittlung – und damit auch die Bedeutung von Kunst und Künstlern im Bildungs- und Schulsystem – dringlich aktuell.

Dies sind nur Beispiele für bundespolitische Handlungsfelder – nirgendwo ist der Bundesverband e.V. aufgetreten, gibt es Ideen, Initiativen, Vorschläge, Diskussionen, auch nur seriöse und regelmäßige Information. Selbst in ganz unmittelbaren Aufgabenfeldern eines Künstlerverbandes – so etwa der Veränderungen des Urheberrechtes, der Etablierung eines Rechtes auf Ausstellungsvergütung, der Mitwirkung des Verbandes in der Verwertungsgesellschaft gibt es eine koordinierte Information oder Meinungsbildung nicht – von inhaltlicher oder politischer Einflussnahme zu schweigen.

Auch das Aufgabenfeld der bundesweiten Information – etwa als Plattform des Informationsaustausches unter Verbänden, etwa zur Information in Steuer- und Sozial- und Urheberrecht, zur Kooperation mit Verwertungsgesellschaften, zum Überblick über überregionale Kultur- und Kunstförderung, zum Aufbau von Regelwerken zur Transparenz privater Kunstförderung und Sponsorings, zur strukturellen Unterstützung der Verbände aus dem Gebiet der ehemaligen DDR – wird, noch zurückhaltend ausgedrückt, vernachlässigt. Spürbar wird der Verein nur in Angelegenheiten von Kunst an und in Bauten des Bundes. Und es gibt sachlich ergebnislose Repräsentation und ritualisiertes Dabeisein immer derselben Vereinsvertreter in immer denselben Bonner Gremien, symbolische, wenngleich teure und Arbeitskraft bindende Aktivitäten wie „zeitgleich“, die weder künstlerisch von wirklicher Bedeutung sind noch irgendeinen Einfluß auf Arbeits- und Lebensbedingungen von Künstlerinnen und Künstlern haben können.

Der bewusste Verzicht auf eine kultur- und gesellschaftspolitische Rolle wurde gerade nochmals unterstrichen: Der Verein bleibt in Bonn, hat in Berlin noch nicht einmal eine handlungsfähige und bevollmächtigte Repräsentanz. Bundestag und Bundesrat, die politischen Spitzen aller Ministerien, alle wesentlichen Verbände sind aber in Berlin – kontinuierliche Interessenvertretung oder gar politische Mitgestaltung sind so schon technisch erschwert.

Erfüllt ein Verein seine Aufgaben nicht, tritt ein Vereinsmitglied aus. Für eine nur symbolische Mitgliedschaft haben wir weder Zeit noch Geld. Der Bonner Apparat verbraucht ein Viertel bis hin zu einem Drittel der Beiträge der Mitgliedsverbände. Dafür leistet er einfach zu wenig. Ein Neuanfang ist notwendig: innerhalb des Bundesverbandes e.V., Bonn, ist er offenbar nicht möglich.

Die Personal- und Arbeitsstrukturen in Bonn sind mittlerweile so erstarrt, daß sie immun sind gegen Diskussion und Veränderung und auch gegen den Kompromiß in der Sache.
Welchen Sinn haben Bundesdelegiertenversammlungen, wenn selbst ihre Beschlüsse einfach ignoriert werden? So hat die Bundesdelegiertenversammlung 2002 ausdrückliche Beschlüsse über Arbeitschwerpunkte des Verbandes für Reformen des Urheberrechtes und in den Sozialversicherungen, insbesondere zur Altersvorsorge für Bildende Künstlerinnen und Künstler, ebenso beschlossen wie Initiativen im Steuerrecht. Diese Beschlüsse waren bislang im Bundesvorstand des Vereins kein Thema.

Selbst die Einsetzung einer Enquete – Kommission des Bundestages zur Lage der Künstlerinnen und Künstler in Deutschland war für den Vereinsvorstand kein Thema, also auch nicht die Mitgestaltung ihres Untersuchungsauftrages oder eine Mitarbeit in ihr (!).
Beschlossen hat die Bundesdelegiertenversammlung deutliche Leitlinien zur Gestaltung einer urheberrechtlichen Ausstellungsvergütung: Öffentlich verkünden die Sprecher des Vereins das Gegenteil dieser Beschlüsse!

Die Bundesdelegiertenversammlung hat sieben Persönlichkeiten satzungsrechtlich gleichgestellt in den Vereinsvorstand gewählt: fünf von ihnen sind nach Auffassung und Praxis der beiden Vorstandssprecher und der Bundesgeschäftsführung jedoch keine Vorstandsmitglieder im eigentlichen Sinne, so daß sie an den wesentlichen Entscheidungen für den Verein prinzipiell nicht beteiligt werden müssen und auch tatsächlich nicht werden. Was die Vertreter des Vereins in Besprechungen des Kulturrates, in den Gremien der Verwertungsgesellschaft, in Gesprächen mit Verwaltungsstellen tun oder vertreten, bleibt unbesprochen und ohne Mandat. Noch nicht einmal das Verbandsorgan unterliegt Entscheidungen der gewählten Vereinsvertreter.
Mit anderen Worten: Mitgliedsverbände des Vereins „Bundesverband“ mögen tun, was sie wollen: Vorschläge in der Sache machen, personelle Mitarbeit anbieten, womöglich sogar Mehrheitsbeschlüsse herbeiführen – wo immer damit auch nur punktuelle Veränderungen der jahrzehntelangen Bonner Praxis verbunden wären, laufen sie ins Leere. Selbst die Beachtung der Grundordnung eines Vereins, nämlich seiner Satzung, ist mittlerweile nicht mehr gewährleistet.

Mit alledem hat eine Vereinsmitgliedschaft ihren Sinn verloren. Wo Berliner Künstlerinnen und Künstler von der Bundespolitik betroffen sind, können wir ihre Interessen selbst artikulieren – wie übrigens jede andere Berufsvertretung auch. Wo Kooperation mit anderen Künstlerverbänden – natürlich auch dem Verein „Bundesverband“, wenn er denn in seiner jetzigen Form fortbesteht – notwendig ist, werden wir sie suchen – wie bisher auch.
Solidarisches Handeln ist nicht zuletzt auch auf Bundesebene notwendig. Der bbk berlin wird sich der Solidargemeinschaft der Künstlerinnen und Künstler auch künftig nicht entziehen und dort mitwirken, wo eine gemeinschaftliche Willensbildung und Interessenvertretung gewünscht ist .

 

berufsverband bildender künstler berlin e.v.

Erklärungen zum Rücktritt aus dem Bundesvorstand des BBK: Die Künstlerinnen Christiane Jung  und Elvira Franz: